Lipoprotein (a) bei der Lipid-Diagnostik bisher zu selten berücksichtigt
Erhöhte Serumkonzentrationen von Low Density Lipoprotein-Cholesterin (LDL-Cholesterin) sind ein wesentlicher kausaler Risikofaktor für Atherosklerose und kardiovaskuläre Ereignisse. Daher gilt das LDL-Cholesterin als zentraler Parameter bezüglich des Therapiemanagements der Dyslipidämie. In der Lipid-Diagnostik häufig vernachlässigt wird jedoch das Lipoprotein (a) – kurz Lp(a).
DR. MED. ANTJE HOHMANN DA SILVA
Lp(a) ähnelt strukturell dem LDL-Molekül, enthält aber zusätzlich das Glykoprotein Apolipoprotein (a) [Apo(a)]. Apo(a) ist mit dem Apolipoprotein B-100 [Apo B-100] des LDL-Cholesterins über eine Disulfid-Bindung verknüpft. Lp(a)-Partikel wirken proinflammatorisch und sind um ein Vielfaches atherogener als das LDL-Cholesterin.
Die Lp(a)-Werte in der Bevölkerung variieren stark, und bei ca. 20 % liegt eine kardiovaskulär bedeutsame Lp(a)-Konzentration von über 50 mg/dl vor. Erhöhte Lp(a)-Konzentrationen sind mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Aortenklappenstenose und periphere Gefäßerkrankungen (pAVK) assoziiert.
Die Höhe der Lp(a)-Konzentration ist nahezu ausschließlich (zu etwa 90 %) genetisch determiniert. Daher sollten bei Personen mit erhöhten Lp(a)-Spiegeln auch deren Familienangehörige ersten Grades untersucht werden. Eine Nierenfunktionsstörung (erhöht Lp(a)-Werte) oder eine gestörte Leberfunktion (erniedrigt Lp(a)-Werte) können die Lp(a)-Serumkonzentration ebenfalls beeinflussen.
In Deutschland werden die Empfehlungen der European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) zur Bestimmung von Lipoprotein(a) bei der Vorsorge von kardiovaskulären Ereignissen bislang nur ungenügend umgesetzt. Diese sehen vor, bei jeder Person mindestens einmal im Leben Lp(a) zu bestimmen, um Hochrisikopatienten zu identifizieren.
Die Lp(a)-Messung sollte idealerweise frühzeitig mit der Erstellung eines ersten Lipidprofils im jungen Erwachsenenalter erfolgen. Dies ist insbesondere wichtig bei Personen mit einer familiären Vorgeschichte für frühe Herzinfarkte oder Schlaganfälle sowie bei Patientinnen und Patienten mit fortschreitender Atherosklerose trotz gut eingestellter LDL-Werte. Da bei Frauen das Lp(a) und auch das LDL-Cholesterin nach der Menopause ansteigen, kann hier eine zweite Messung sinnvoll sein.
Obwohl es eine lineare Assoziation zwischen Lp(a) im Serum und dem zu erwartenden kardiovaskulären Risiko gibt, erfolgt die Einteilung der Lp(a)-Konzentration aus klinisch-praktischen Gründen in drei Gruppen:
⁃ Lp(a) nicht erhöht (< 30 mg/dl bzw. < 75 nmol/l)
⁃ Lp(a) grenzwertig (30–50 mg/dl bzw. 75–125 nmol/l)
⁃ Lp(a) erhöht (> 50 mg/dl bzw. > 125 nmol/l)
Der klinisch relevante Risikoanstieg für ein kardiovaskuläres Ereignis in Bezug auf die Höhe der vorliegenden Lp(a)-Konzentration wird von der EAS mit 1,22-fach, 1,40-fach, 1,65-fach, 1,95-fach und 2,72-fach bei jeweiligen Lp(a)-Werten von 30 mg/dl, 50 mg/dl, 75 mg/dl, 100 mg/dl und 150 mg/dl beziffert.
Die individuelle Höhe von Lipoprotein (a) lässt sich durch Lebensstiländerungen oder Medikamente bisher nur minimal beeinflussen. Bei nachgewiesener Lp(a)-Erhöhung geht es allerdings darum, alle angehbaren kardiovaskulären Risikofaktoren zu minimieren. Hierzu zählen Nikotinverzicht, körperliche Bewegung und eine leitliniengerechte Behandlung bei gleichzeitigem Hypertonus oder Diabetes mellitus. Außerdem sollte eine Verminderung des Lipid-bezogenen Risikos durch eine optimale Senkung des LDL-Cholesterins mit strengeren Zielwerten erfolgen.
Beim Einsatz von Statinen bleibt die Höhe des Lp(a) praktisch unbeeinflusst, es verringert sich jedoch das lipidbezogene Risiko. Bei Therapie mit PCSK9-Inhibitoren (Proprotein Convertase Subtilisin/Kexin Typ9-Inhibitoren) zur Senkung des LDL-Cholesterins wird als positiver Nebeneffekt zusätzlich das Lp(a) um etwa 30 % gesenkt. Dies reicht aber in der Regel bei Personen mit stark erhöhten Werten nicht aus, um Lp(a) zu normalisieren. Zur nichtselektiven Lp(a)-Senkung steht aktuell nur die Lipid-Apherese zur Verfügung.
In Entwicklung befindliche neue Therapieansätze
Es besteht ein großer Bedarf für den Einsatz von neuen Wirkstoffen, welche Lp(a) wirksam, anhaltend und spezifisch beeinflussen. Große Hoffnungen werden in derzeit klinisch erprobte Nukleinsäure-basierte Therapieansätze zur Lp(a)-Senkung gesetzt. Die entsprechenden Wirkstoffe gehören insbesondere zur Klasse der „small interfering RNA (siRNA)“ oder zu den „Antisense-Oligonukleotiden (ASO)“.
Am besten untersucht ist das subkutan anzuwendende Antisense-Oligonukleotid-(ASO) Pelacarsen, das durch kovalente Bindung den enzymatischen Abbau der Apo(a)-mRNA des Lp(a) induziert. In den bisherigen Studien wurde hierbei eine Senkung der Lp(a)-Konzentration um über 80 % festgestellt.
Das Wirkprinzip der small-interfering RNA (siRNA) (z. B. Olpasiran) beruht auf einer spezifischen Bindung des Apo(a)-Anteils von Lp(a), die zu dessen Spaltung und Abbau führt. Die siRNA muss im Vergleich zu den ASO seltener subkutan appliziert werden. Bei der Auswertung der bisherigen Studiendaten konnte eine Reduktion der Lp(a)-Konzentration um 90 % bei guter Verträglichkeit und Sicherheit beobachtet werden.
Bei dem in Entwicklung befindlichen, oral zu verabreichenden Lp(a)-Synthesehemmer Muvalaplin handelt es sich um ein sogenanntes small molecule. Dieser niedermolekulare Inhibitor verhindert die Lp(a)-Bildung. Zu diesem Wirkstoff sind noch Studien über einen längeren Zeitraum und mit größeren Kohorten notwendig.
Mit der Zulassung dieser neuen Substanzen wird eine breite klinische Anwendung in den kommenden Jahren erwartet. Sobald diese neuen, spezifischen Lp(a)-reduzierenden Medikamente zur Verfügung stehen, werden künftig auch Lp(a)-Messungen zur Therapiesteuerung sinnvoll sein.
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Literatur:
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5. Kronenberg F. Lipoprotein(a): from causality to treatment. Curr Atheroscler Rep. 2024; 26:75–82